22. März 2020
Allgemeinverfügung zur Eindämmung des Coronavirus in Hamburg durch vorübergehende Kontaktbeschränkungen
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist hochinfektiös und hat sich in kurzer Zeit weltweit verbreitet. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche Fälle. Die Erkrankung COVID-19 verläuft in den meisten Fällen als grippaler Infekt und ist von einem Schnupfen oder einer echten Grippe (Influenza) klinisch nicht zu unterscheiden. Deshalb sind präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Der Senat hat der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz mit Senatsbeschluss im Verfügungswege am 11. März 2020 die Zuständigkeit für den Erlass von Allgemeinverfügungen gemäß § 28 Absatz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 nach § 42 Satz 4 Bezirksverwaltungsgesetz in Verbindung mit § 1 Absatz 4 des Gesetzes über Verwaltungsbehörden übertragen.
In Erweiterung der Anordnungen der Allgemeinverfügung vom 15.03.2020 (Amtlicher Anzeiger 2020, S. 333) und vom 16.03.2020 (Amtlicher Anzeiger 2020, S. 336a) und vom 20.03.3030 trifft die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz im Einvernehmen und mit der Senatskanzlei für das gesamte Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg folgende
Allgemeinverfügung
1. Die Anordnungen der Allgemeinverfügung zur Eindämmung des Coronavirus in Hamburg – Ansammlungsverbot und Schließung von Gaststätten für den Publikumsverkehr – vom 20.03.2020 werden aufgehoben und durch die nachfolgenden Anordnungen ersetzt.
2. Personen müssen an öffentlichen Orten grundsätzlich einen Mindestabstand von 1,5 m zueinander einhalten, es sei denn, dass die örtlichen oder räumlichen Verhältnisse dies nicht zulassen oder dass nachfolgend etwas anderes gestattet ist.
3. Der Aufenthalt für Personen im öffentlichen Raum ist nur alleine sowie in Begleitung der Personen gestattet, die in derselben Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 Grundgesetz) leben, oder in Begleitung einer weiteren Person, die nicht in derselben Wohnung lebt. Für diese Personen gilt das Abstandsgebot in Ziffer 2 nicht.
Hiervon abweichende Ansammlungen von Menschen an öffentlichen Orten, sind untersagt, soweit es nachstehend nicht gesondert gestattet ist.
4. Abweichend von Ziffer 3 sind Ansammlungen von Personen an öffentlichen Orten zulässig:
a) für die Berufsausübung im Sinne des Art. 12 Absatz 1 Grundgesetz, soweit diese nicht gesondert eingeschränkt ist,
b) für die Wahrnehmung der Aufgaben oder des Dienstes als Mitglied der Bürgerschaft, als Mitglied des Senats, als Mitglied des Verfassungsgerichts, als Mitglied eines Verfassungsorgans des Bundes oder anderer Länder, als Beamtin oder Beamter, als Richterin oder Richter, als Mitglied einer Bezirksversammlung oder Deputation einer Behörde oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Gremien, als Mitglied des diplomatischen oder konsularischen Corps sowie für die Wahrnehmung von Aufgaben im Öffentlichen Dienst oder als Organ der Rechtspflege,
c) die sonstige Mitwirkung bei der Bewältigung der aktuellen Infektionslage entsprechend der Mitwirkung beim Katastrophenschutz im Sinne von § 3 des Hamburgischen Katastrophenschutzgesetzes vom 16. Januar 1978 (HmbGVBl. S. 31), zuletzt geändert am 24. Januar 2020 (HmbGVBl. S. 90),
d) für die Wahrnehmung von Aufgaben in Krankenhäusern, medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe, ärztlichen Praxen, Praxen der Physiotherapie oder der Anschlussheilbehandlung, anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens, Apotheken und Sanitätshäusern, Einrichtungen der Jugend- und Familienhilfe, sozialen Hilfs- und Beratungseinrichtungen sowie veterinärmedizinischen Einrichtungen, soweit der Besuch nicht gesondert eingeschränkt ist,
e) in Gerichten und Behörden oder bei anderen Hoheitsträgern sowie in anderen Stellen oder Einrichtungen, die öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen, soweit diese nicht gesondert eingeschränkt sind oder diese nicht für den Zutritt durch Nichtbedienstete gesperrt sind,
f) für die Berichterstattung durch Vertreterinnen und Vertreter von Presse, Rundfunk, Film und anderen Medien.
5. Der Betrieb von Gewerben, die Dienstleistungen im Bereich der Körperpflege anbieten (Friseure, Kosmetikstudios, Massagesalons, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe) ist untersagt. Dies gilt nicht für medizinisch notwendige Dienstleistungen und Dienstleistungen im Sinne von Ziffer 4 Buchstabe d).
6. Abweichend von Ziffer 3 sind Ansammlungen von Personen an öffentlichen Orten zulässig, wenn diese im Zusammenhang mit der Versorgung mit Lebensmitteln, Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in den folgenden Betrieben und Einrichtungen stehen:
a) Einzelhandel
für Lebensmittel,
b) Wochenmärkte,
c) Abhol- und Lieferdienste,
d) Getränkemärkte,
e) Apotheken,
f) Sanitätshäuser,
g) Drogerien,
h) Tankstellen,
i) Banken und Sparkassen,
j) Poststellen,
k) Reinigungen,
l) Waschsalons,
m) Zeitungsverkauf,
n) Bau-, Gartenbaubedarfsmärkte,
o) Tierbedarfsmärkte sowie
p) der Großhandel
q) Reparaturbetriebe für Fahrzeuge einschließlich Fahrrädern,
r) Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe, soweit dies nicht gesondert
eingeschränkt ist.
Soweit die räumlichen Bedingungen und die Art des Betriebs oder der Dienstleistung es zulassen, müssen die hierbei anwesenden Personen einen Mindestabstand von 1,5 m zueinander einhalten. Dies gilt nicht für Personen, die in der gleichen Wohnung (Art. 13 Absatz 1 Grundgesetz) leben.
7. Abweichend von Ziffer 3 sind Ansammlungen zulässig, wenn diese bei der Benutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs entstehen. Soweit die räumlichen Verhältnisse es zulassen, müssen Personen einen Mindestabstand von 1,5 m zueinander einhalten. Dies gilt nicht für Personen, die in der gleichen Wohnung (Art. 13 Absatz 1 Grundgesetz) leben.
8. Abweichend von Ziffer 3 sind Ansammlungen von Personen an öffentlichen Orten zulässig, wenn diese im Zusammenhang mit der Versorgung von anderen, hilfebedürftigen Personen mit Lebensmitteln, Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs im Sinne der Nummer 4 stehen, soweit diese nicht gesondert eingeschränkt ist.
9. Abweichend von Ziffer 3 sind Ansammlungen von Personen an öffentlichen Orten zulässig, wenn diese im Zusammenhang mit der Betreuung von hilfebedürftigen Personen stehen, wenn diese nicht anders möglich ist und soweit diese nicht gesondert eingeschränkt ist.
10. Abweichend von Ziffer 3 sind Ansammlungen von Personen an öffentlichen Orten zulässig, wenn diese im Zusammenhang mit dem Besuch von Schulen, Kindertagesstätten oder anderen Betreuungseinrichtungen einschließlich der privat organisierten Betreuung in Kleingruppen, sowie der Begleitung und Abholung von Kindern und Jugendlichen zu oder von diesen Einrichtungen stehen, soweit der Besuch nicht gesondert eingeschränkt ist.
11. Abweichend von Ziffer 3 sind Ansammlungen von Personen an privaten und öffentlichen Orten für die Teilnahme an Bestattungen und Trauerfeiern im engen familiären Kreis zulässig, soweit diese nicht gesondert eingeschränkt sind.
12. Die Zubereitung und der Verzehr von Speisen an öffentlichen Orten sind untersagt. Dies gilt insbesondere für das Grillen und Picknicken. Dies gilt nicht, wenn einer Person aufgrund bestehender Wohnungslosigkeit eine Wohnung oder eine andere Unterkunft, insbesondere in Wohnunterkünften zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung, nicht zur Verfügung steht.
13. Verkaufsstände auf Wochenmärkten sind nur zulässig, soweit sie Lebensmittel oder Waren des täglichen Bedarfs anbieten. Soweit die räumlichen Bedingungen es zulassen, müssen die hierbei anwesenden Personen einen Mindestabstand von 1,5 m zueinander einhalten. Dies gilt nicht für Personen, die in der gleichen Wohnung (Art. 13 Absatz 1 Grundgesetz) leben.
14. Der Betrieb von Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 1998 (BGBl. I S. 3418), zuletzt geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 420), wird untersagt.
Das gilt auch für Speiselokale und Betriebe, in denen Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden, Personalrestaurants, Kantinen sowie Speiselokale im Beherbergungsgewerbe (wie beispielsweise Hotelrestaurants). Nicht-öffentlich zugängliche Personalrestaurants und Kantinen können, sofern dies zur Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlich ist, betrieben werden, sofern ein Abstand von mindestens 1,5 m zwischen den Tischen gewährleistet ist.
Ausgenommen von der Untersagung bleibt die Auslieferung von Speisen und Getränken sowie deren Abverkauf zum Mitnehmen. Auch hierbei ist ein Mindestabstand von 1,5 m zueinander einzuhalten. Dies gilt nicht für Personen, die in der gleichen Wohnung (Art. 13 Absatz 1 Grundgesetz) leben. Die Speisen und Getränke dürfen nicht in der Öffentlichkeit verzehrt werden. Dies gilt nicht, wenn einer Person aufgrund bestehender Wohnungslosigkeit eine Wohnung oder eine andere Unterkunft, insbesondere in Wohnunterkünften zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung, nicht zur Verfügung steht.
15. Die Veranstaltung von Feierlichkeiten in Wohnungen oder anderen nicht-öffentlichen Orten ist untersagt.
16. Soweit die Allgemeinverfügungen vom 15. März 2020 und vom 16. März 2020 von den vorstehenden Anordnungen abweichende Regelungen enthalten, gehen die vorstehenden Anordnungen den Allgemeinverfügungen vom 15. März 2020 und vom 16. März 2020 vor.
17. Diese Anordnungen sind gemäß § 28 Absatz 3 i.V. m. § 16 Absatz 8 IfSG sofort vollziehbar.
18. Diese Allgemeinverfügung wird gemäß § 41 Abs. 4 Satz 2 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz durch Zugänglichmachung im Internet öffentlich bekannt gegeben. Es wird bestimmt, dass sie mit der Zugänglichmachung im Internet als bekanntgegeben gilt (§ 41 Abs. 4 Satz 7 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz) und zu diesem Zeitpunkt in Kraft tritt.
19. Diese Allgemeinverfügung gilt zunächst bis einschließlich 5. April 2020.
20. Auf die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Anordnungen gemäß § 75 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 3 IfSG wird hingewiesen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz – Amt für Gesundheit – einzulegen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben gemäß § 28 Absatz 3 in Verbindung mit § 16 Absatz 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung.
Begründung
Zweck des Infektionsschutzgesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Gemäß § 28 Absatz 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen.
Durch den vorherrschenden Übertragungsweg von SARS-CoV-2 (Tröpfchen) z.B. durch Husten, Niesen oder teils mild erkrankte oder auch asymptomatisch infizierte Personen kann es bei Ansammlungen von Personen in der Öffentlichkeit zu einer Vielzahl von Übertragungen kommen. Die nunmehr weitergehenden Beschränkungen sind angesichts der Entwicklung der Epidemie erforderlich, um die Ausweitung zu verzögern, damit das Gesundheitswesen zu entlasten und somit die erforderlichen Kapazitäten für die Behandlung der Erkrankten, aber auch sonstiger Krankheitsfälle bereit zu halten. Die vorgesehenen Ausnahmen dienen der freien Berufsausübung, der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen, der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems, der freien Berichterstattung der Medien sowie dem Schutz der Familie.
Die Beschränkungen sind geboten und verbunden mit den Ausnahmeregelungen auch verhältnismäßig. Nach der aktuellen Erkenntnislage muss davon ausgegangen werden, dass keine Schutzmaßnahmen getroffen werden können, die gleich effektiv, aber weniger eingriffsintensiv sind.
Hamburg, den
22. März 2020
Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz